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Neueste BHG-Rechtsprechung mit den Urteilen vom 21.02.2022 zum VW-Abgasskandal

Der Bundesgerichtshof bestätigt mit den zwei neuesten Urteilen vom 21.02.2022, Az.: VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21, rund um den Skandalmotor EA 189, dass Käufer eines neuen VWs mit diesem Motor grundsätzlich einen Anspruch auf sog. Restschadensersatz haben. Dies ist vor allem dann interessant, wenn ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB bereits verjährt ist.

In den beiden aktuell vom BGH entschiedenen Fällen stellt sich der Sachverhalt laut offizieller Pressemitteilung Nr. 022/2022 wie folgt dar:

„In beiden Verfahren nehmen die Kläger die beklagte Volkswagen AG auf Schadensersatz nach Erwerb eines Kraftfahrzeugs in Anspruch.

Der Kläger im Verfahren VIa ZR 8/21 erwarb im April 2013 zu einem Kaufpreis von 30.213,79 € einen Neuwagen VW Golf Cabrio „Life“ TDI von der Beklagten als Herstellerin, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen war. Das Fahrzeug war bei Erwerb mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob es sich auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte.
Die Klägerin im Verfahren VIa ZR 57/21 erwarb im Juli 2012 zu einem Kaufpreis von 36.189 € einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen VW EOS 2.0 l TDI von einem Händler. Dieser Neuwagen war ebenfalls mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen. Das Fahrzeug war wiederum bei Erwerb mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob es sich auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte.
Ab September 2015 wurde – ausgehend von einer Pressemitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 – über den sogenannten Abgasskandal betreffend Motoren des Typs EA 189 in den Medien berichtet. Beide Kläger ließen ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update aufspielen.“

Die beiden in der Vorinstanz befassten Gerichte, namentlich das OLG Koblenz und das OLG Oldenburg wiesen die Klagen zunächst ab. Sie bestätigten lediglich, dass die Kläger einen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung hatten, dieser sei jedoch gemessen an der regelmäßigen, dreijährigen Verjährungsfrist bereits verjährt. Ein Anspruch auf den sog. Restschadenersatz gemäß § 852 BGB bestünde nach Ansicht der Oberlandesgerichte nicht.

Der Bundesgerichtshof als höchste Instanz beurteilt dies anders: Er bestätigte zwar, dass die Verjährung der Schadenersatzansprüche gemäß § 826 BGB Ende 2016 begonnen hat und die Ansprüche daher Ende 2019 verjährt seien, allerdings stehe den Klägern in beiden Verfahren ein Anspruch auf Restschadenersatz gemäß § 852 S. 1 BGB zu. VW habe die Kläger durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit der unzulässigen Abschalteinrichtung geschädigt und müsse daher nach § 852 S. 1 BGB das Erlangte herausgeben.

Im Einzelnen ist hierzu für betroffene VW – Kunden Folgendes wissenswert:

  1. Betrachtet man die zeitliche Entwicklung der Erkenntnisse rund um den VW-Abgasskandal, wurde dieser bereits im September 2015 bekannt. Im Einzelnen sind bei Fahrzeugen der Hersteller VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Dieselmotor EA 189 die Abgaswerte manipuliert worden. Im Mai 2020 hat der BGH entschieden, dass sich VW durch die Abgasmanipulationen grundsätzlich schadenersatzpflichtig gemacht hat.
  2. Der in diesen Fällen oftmals gegebene Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. Fristbeginn ist in der Regel der Zeitpunkt, in dem die Neuwagenkäufer Kenntnis, oder zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von einem möglichen Anspruch ihrerseits haben. Entsprechende Kenntnis können betroffene Käufer in der Regel durch Pressemitteilungen der Motorenhersteller erlangen. Für eine grob fahrlässige Unkenntnis genügt es, dass sich potenziell Betroffene (gerade bei einem Thema mit derart breiter medialer Berichterstattung) nicht in zumutbarem Umfang in ihrem eigenen Interesse selbst informieren.
    Im vorliegenden Fall datieren die Pressemitteilungen aus dem Zeitraum zwischen September 2015 und Anfang des Jahres 2016. Im konkreten Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 57/21 habe die Klägerin im Februar 2016 aufgrund eines Informationsschreibens der Beklagten Kenntnis nicht nur von dem „sogenannten Diesel- oder Abgasskandal allgemein“, sondern auch von der individuellen Betroffenheit ihres Kraftfahrzeugs erlangt. Ab dem Jahr 2016 sei der Klägerin deshalb die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte zumutbar gewesen.
  3. Der Anspruch auf Restschadensersatz kann sich gemäß § 852 S. 1 BGB ergeben. Ein solcher verjährt erst innerhalb einer Frist von 10 Jahren von seiner Entstehung an, bzw. innerhalb von 30 Jahren ohne Rücksicht auf das schadensauslösende Ereignis.
  4. Nach den o. g. BGH-Urteilen ist Voraussetzung für einen Restschadensersatzanspruch nach § 852 S. 1 BGB:
    a.) Das Fahrzeug verfügt über einen Motor des Typs EA 189.
    b.) Der Erwerb des Fahrzeugs erfolgte vor September 2015, bzw. spätestens Anfang des Jahres 2016 (je nach Zeitpunkt der möglichen Kenntnisnahme). Der Erwerb ist nicht länger als 10 Jahre her.
    c.) Es handelt sich um einen Neuwagenkauf (Gebrauchtwagen sind nicht umfasst).
  5. Der Anspruch auf Restschadensersatz aus den §§ 826, 852 S. 1 BGB kann allerdings nicht weiter gehen als der Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB. Dieser unterliegt grundsätzlich der Vorteilsausgleichung.

Konkret hat laut dem BGH „die Rechtsnatur des in § 852 Satz 1 BGB geregelten Anspruchs eine dreifache Limitierung zur Folge. Zunächst ist der seitens des Händlers vom Geschädigten vereinnahmte Kaufpreis um die Händlermarge zu reduzieren. Anschließend ist von dem so ermittelten Händlereinkaufspreis der Wert der vom Geschädigten gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen. Und schließlich schuldet der Schädiger Restschadensersatz nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs.“

Zusammengefasst bedeutet dies für die Kunden:

Auch wer bisher keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat und sich zum Kreis der potenziell im VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagenkäufer zählt, hat gute Chancen, dass etwaige bestehende Ansprüche (insbesondere auf Restschadensersatz nach § 852 BGB) noch nicht verjährt sind.

Eine anwaltliche Überprüfung kann in jedem Fall lohnenswert sein.

Nachfolgende Checkliste bietet eine Hilfestellung, um herauszufinden, ob Sie anspruchsberechtigt sind:

  1. Ein möglicher Anspruch auf Restschadensersatz kann bestehen, wenn Sie einen neuen VW mit dem Motor EA 189 erworben haben und der Erwerb vor 2015 bzw. 2016 stattfand und nicht länger als 10 Jahre her ist.Ein solcher kann auch und insbesondere bestehen, wenn der Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bereits verjährt ist – Nachprüfen lohnt sich.
  2. Der Anspruch kann bereits abgeschmolzen sein, wenn mit dem damals erstandenen Neuwagen schon viele Kilometer zurückgelegt wurden.
  3. Falls Sie diese Voraussetzungen bei sich erfüllt sehen, melden Sie sich gerne, um einen Termin zu vereinbaren. Wir beraten Sie online, telefonisch, oder in einer persönlichen Besprechung und prüfen kompetent, ob Sie anspruchsberechtigt sind.

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